Das Wagenknecht-Bündnis: Enttäuschend ratlos.
Es gab nicht wenige Friedensbewegte, die noch kurz vor den Bundestagswahlen voller Hoffnung waren, daß das Wahlergebnis wenigstens eine potentielle Sperrminorität gegen weitere Kriegsbeschlüsse der NATO-Parteien gegen Russland zum Ausdruck bringen und damit die allgemeine Gemengelage für die dann regierende Koalition wenigstens schwieriger machen kann.
Hoffnungsträger waren gleich zwei Strömungen, nämlich die AfD und eben auch das BSW, beide sozusagen als Rückgrat der Opposition. Die AfD hat geliefert. Noch zu Jahresende hörte man in Diskussionsrunden von einem Drittel des neuen Parlaments, welches dem scharfen Kriegskurs der Altparteien wengstens etwas entgegensetzen könne. Daraus wurde nichts und die Verantwortlichen v.a. des BSW müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie in Summe eine so gnadenlos schlechte Leistung abgeliefert haben.
Dabei geht es wohl kaum um die 13.000 Stimmen, die für die Überwindung der 5%-Hürde fehlten. Es geht auch nicht nur um die erneut gescheiterte Sahra Wagenknecht.
Zu dieser Wahlniederlage des BSW gibt es schon eine Reihe von Analysen. Hier sei vor allem auf jene von Thomas Röper (Anti-Spiegel.ru) aus St.Petersburg verwiesen, der es nicht an klaren Worten fehlen läßt. Unter „Eigentlich schade, dass Sahra nix verstanden hat…“ stellt der schätzenswerte Röper eine Sicht auf die Problemlage vor, die den Nagel auf dem Kopf trifft.
Die auch hier in dieser website aufgeworfene Kritik am BSW (vgl. z.B. hier) traf, so glaube ich, in allen Belangen zu. Röper aber setzt all dem noch eins drauf. Hinter seinen Darlegungen schimmert eine wesentliche Kritik hervor: Das BSW und Sahra Wagenknecht sind an ihrer Russophobie als wesentlicher Leitschnur ihres politischen Tuns gescheitert. Wer die Friedenssehnsucht der Menschen („Das ist nicht unser Krieg!“) mit dem Vorwurf des Verbrechens gegen Wladimir Putin konterkarieren und wer dabei auf die AfD als politischer Konkurrenz billig mit eindreschen will, um sich in den Talkshows Gehör zu verschaffen, wurde zurecht nicht gewählt.
Dazu hier längere Auszüge aus Röpers Beitrag. Zu empfehlen ist allerdings die Lektüre des ganzen Beitrags:
„Ich finde die Artikel, die deutsche Medien wie der Spiegel über Sahra Wagenknecht und den schnellen Absturz ihres BSW geschrieben haben, amüsant, denn sie alle ignorieren das Entscheidende. Ich frage mich dabei, ob die Spiegel-Redakteure so sehr in ihrer Blase gefangen sind, dass es nicht verstehen, oder ob sie es bewusst nicht erwähnen.
Das gespaltene Land
In Deutschland gibt es zwei Wählergruppen, die sich wiederum in Untergruppen aufteilen. Zum Einen sind da die Wähler, die ihr Leben lang die Blockparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne gewählt haben, die die Bundesrepublik Deutschland in immer neuer Zusammensetzung seit dem Krieg regieren. Das hat zwar zu vielen Regierungswechseln, aber nie zu einer echten Änderung der Politik geführt. Die wohl einzige Ausnahme war Willy Brandt, der mit seiner Ostpolitik zumindest in einem Bereich die politische Richtung ein wenig geändert hat.(…)
(…) Der Riss zwischen diesen beiden Wählergruppen ist in Deutschland sehr tief. Und er wird noch tiefer werden, weil die Blockparteien und die ihnen treu ergebenen Mainstream-Medien die Hälfte der Deutschen, die sich von den Blockparteien abgewandt haben, nach Kräften diskreditieren und beschimpfen, anstatt eine Politik zu machen, die die Menschen in Deutschland wieder einen könnte.
Sahras große Chance
Sahra Wagenknecht hatte alle Chancen, mit einem zweistelligen Wahlergebnis in den Bundestag zu kommen. Dass ihre Partei nicht zweistellig geworden ist, sondern sogar den Einzug in den Bundestag verpasst hat, hat eigentlich nur einen Grund: Sie hat das, was ich eben geschrieben habe, nicht verstanden.
Viele Deutsche, die von den Blockparteien enttäuscht sind, haben ein Problem mit der AfD. Dafür gibt es Gründe. Einigen mag die Anti-Migrationsrhetorik der AfD nicht gefallen und sie sind von den Kampagnen der Medien beeinflusst, die die AfD – wenn auch zu Unrecht – als „Nazi-Partei“ verunglimpfen.
Andere dürfte abschrecken, dass die AfD in Wirtschaftsfragen ziemlich neoliberal ist und an den sozialen Problemen in Deutschland kaum etwas ändern dürfte. Wieder andere dürfte an der AfD stören, dass sie im Wahlprogramm trotz ihres Einsatzes gegen die Russland-Sanktionen immer noch sagt, die NATO sichere den Frieden. Es gibt reichlich Positionen bei der AfD, die bei weitem nicht jedem gefallen und die viele Deutsche davor abschrecken, der Partei ihre Stimme zu geben.
Dann kam Wagenknecht mit ihrem BSW und sie schien der Hoffnungsträger für eben diese Menschen zu sein, die von den Blockparteien nichts mehr wissen wollen, aber aus irgendeinem Grund nicht die AfD wählen wollen.
Wagenknecht positionierte sich für eine durchaus realistische Politik in der Migrationsfrage, aber sie setzte ihren Schwerpunkt auch auf Kritik am neoliberalen Wirtschaftssystem und forderte mehr soziale Sicherheit. Hinzu kommt, dass sie der NATO kritisch gegenüber steht.
Aber Wagenknechts schöne Worte entsprechen nicht dem, was sie tatsächlich umsetzt.
Sahra kann sich nicht entscheiden
Nach den Wahlen im Osten, bei denen Wagenknecht sehr erfolgreich war, hat sie auf Koalitionsverhandlungen mit eben den Blockparteien gesetzt, von denen ihre Wählerschaft so enttäuscht ist. Wagenknecht hatte nicht den Mut, das zu tun, was ihre Wähler wollen: nämlich entweder, wenn möglich, ohne den Mainstream zu regieren, oder eben konsequent in die Opposition zu gehen.(…)
(…) Warum Wagenknecht im Osten in Koalitionsverhandlungen mit den Blockparteien gegangen ist, bleibt ihr Geheimnis. Fakt ist, dass das ihr großer Fehler war, denn danach haben sich die Wähler von ihrem BSW abgewandt und der schnelle Abstieg ihrer jungen Partei begann, der nun im Scheitern an der 5-Prozenthürde gipfelte.
Aber diese Unentschlossenheit ist kennzeichnend für Wagenknecht. Sie hat Schlagzeilen gemacht, als sie mit Alice Schwarzer für Frieden in der Ukraine eingetreten ist, aber sie war inkonsequent, denn sie hat zwar einerseits durchaus thematisiert, welche Fehler der Westen in der Ukraine gemacht hat, aber sie hat andererseits Putin als „Verbrecher“ bezeichnet (ob aus Überzeugung, oder um keine schlechte Presse zu bekommen, sei dahin gestellt). Sahra Wagenknecht konnte sich nicht klar für eine klare Linie entscheiden.
Das gleiche zeigte sich nach den Wahlen im Osten, wo sie bei den Wahlen mit ihren deutlichen Worten erfolgreich war, um anschließend doch mit den Parteien zusammenzuarbeiten, die für eine vollkommen andere Politik stehen, als ihre Wähler wollen.
Die vertane Chance
Das bestätigen auch die Umfragen, denn aus Stand schaffte es das BSW bis August 2024 auf neun Prozent, aber mit Beginn der Koalitionsverhandlungen im Osten begann der Absturz des BSW, der genauso rasant war, wie der vorherige Aufstieg.
Wäre Wagenknecht damals prinzipientreu geblieben, wäre das BSW mit ziemlicher Sicherheit zweistellig in den Bundestag eingezogen, anstatt an der 5-Prozenthürde zu scheitern.
Nun hat sie die Bundestagswahl verloren. Dass Wagenknecht jetzt darüber nachdenkt, das Wahlergebnis juristisch überprüfen zu lassen und irgendwelchen Umfragen, in denen das BSW ihrer Meinung nach zu niedrig bewertet wurde, die Schuld gibt, zeigt, dass sie offensichtlich gar nicht verstanden hat, wo das Problem liegt.
Sahra Wagenknecht hat eine große Chance vertan, in Deutschland tatsächlich etwas zu ändern. Hätte sie klar für eine Linie gestanden, die sich in Fragen von Wirtschaft, Sozialpolitik, Außenpolitik und Migration gegen die Politik der Blockparteien stellt, und das auch nach den Wahlerfolgen im Osten durchgehalten, hätte sie ein deutlich zweistelliges Wahlergebnis einfahren können. Zusammen mit der AfD würde es im Bundestag nun eine echte Opposition geben, die etwa 30 Prozent der Sitze bekommen hätte.“(…)