Neue Partei – neue Chancen für Frieden mit Russland?
Wird die Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) die schmähliche Abwesenheit der gesellschaftlichen Linken in Sachen Friedensbewegung beenden ? Oder, wem dies zu anspruchsvoll ist: Wird diese Partei dafür in Hinblick auf die Wahlen zum Europaparlament und nachfolgend zu einigen Landtagswahlen wenigstens positive Impulse setzen können ?
Die gesellschaftliche Rechte dagegen ist ja längst unterwegs und war u.a. in Gestalt der AfD im Bundestag und bei vielen Aktionen auf Straßen und Plätzen öffentlich und friedensbewegt wirksam. Die AfD hat häufig den Zusammenhang zwischen dem deutschen Kriegseinsatz in der Ukraine und dem allgemeinen wirtschaftlichen und politischen Verfall thematisiert. Allerdings, das ist bekannt, bremst sich diese Partei fortwährend selbst aus, indem sie u.a. der NATO gegenüber unkritisch eine Art Nibelungentreue zum Ausdruck bringt.
Doch nur neuer ‚linksistischer‘ Anlauf mit gehöriger Portion Geschichtsvergessenheit ?
Als Friedensbewegter will man eine starke Friedensbewegung und da ist es von Interesse, daß alle möglichen Menschen mitmachen – überparteilich, aber freilich nicht unparteiisch.
Bei dem neuen Parteiprojekt um Frau Wagenknecht muß man in dieser Richtung allerdings Sorge haben. Die vorliegenden Dokumente (Gründungsmanifest) und ein paar öffentliche Auftritte (Pressekonferenz am 08.01.24) sowie vorher – sozusagen als Praxistest – die Demonstration am 25.11.23 in Berlin offenbaren aber eher einen mindestens punktuellen Rückfall in eine dumpfe ‚linksistische‘ Verlierer-Programmatik.
Die Stellungnahmen einzelner Protagonisten des BSW zur aktuellen Lage scheinen die krasse wirtschaftliche und politische Degeneration der Verhältnisse nur eher oberflächlich zu kennen. Wenn einer wie der als Wirtschaftsexperte vorgestellte Fabio de Masi in seinem kurzen Redebeitrag auf der Bundespressekonferenz des BSW das Thema Wirtschaftskrieg der NATO und Deutschlands gegen Russland mit gravierender Selbstverstümmelung per Sanktionen gegen Russland einfach außen vor läßt, so beschreibt dies den allseits sichtbaren im Raum stehenden blauen Elefanten, über den die Parteigründer aber offenbar partout nicht reden wollen. Eine Art selektive Wahrnehmung.
Anderseits blicken aber doch viele der potentiellen Wähler von BSW da genau durch und ziehen zunehmend den Schluß, den Krieg der NATO in der Ukraine nicht als den ihren zu bewerten und die weitere Bewaffnung und politische Unterstützung dieses inzwischen gescheiterten NATO-Staates abzulehnen. Auch die anderen vorgestellten Persönlichkeiten des BSW offenbaren wie de Masi solcherart selektive Wahrnehmung. Denn sie neigen in ihrem Gründungsdokument stattdessen zu blumigen Allgemeinplätzen („verschlechterte Rahmenbedingungen“, „Marktversagen“). So werden in der Folge dann die Anhänger einer auf Frieden mit Russland gerichteten Politik wohl eher in der AfD wenigstens eine Wahlperspektive entdecken.
Ganz krude wird die Sicht der BSW-Gruppe, wenn es um die Perspektive einer globalen Friedenspolitik geht. Im Gründungsdokument wird geschichtsvergessen eine bloß pazifistische Orientierung genannt und die eher törichte Brandt’sche Redewendung von „…ohne Frieden ist alles nichts“ wird zur Generallinie erhoben.
Wissen die Herrschaften nicht, daß die Niederschlagung des Hitler-Faschismus seitens der Anti-Hitler-Koalition gar nicht anders als gestützt auf deren militärische Gewalt möglich war ? Und – von wegen „alles nichts“ – wissen sie nicht, daß es die russischen Bewohner des Donbass dieser Tage als allemal angenehmer empfinden, zumindest eine konkrete Hoffnung auf Frieden zu haben, obwohl die NATO alle Bewohner der ehemaligen Ukraine noch immer bis zum letzten Soldaten sterben lassen will ?
Freiheit und Demokratie! Und die ganz praktischen Hindernisse ?
De Masi übrigens blieb es auch vorbehalten, auf eben jener Pressekonferenz in jedem dritten Satz modellhaft und in ‚linksistischer‘ Manier von der „rechtsextremistischen AfD“ zu fabulieren, ohne dies auch nur im Ansatz belegen zu wollen.
Denn was z.B. ist daran „rechtsextremistisch“, wenn sich Leute aus guten Gründen gegen eine hochstilisierte Willkomenskultur für Flüchtlinge und einen weiteren Zustrom von Migranten richten, wenn es in ihrem Wohn- und Lebensumfeld nicht mehr selbstverständlich ist, bloß mit Kenntnis der deutschen Umgangssprache über die Runden zu kommen ? Herr De Masi will einfach die Zwänge und Nöte der Menschen von ‚ganz Unten‘ nicht für voll nehmen und flüchtet sich in einen tumben „Rechtsextremismus“-Vorwurf.
Wieder dieser Zwiespalt: Die Lebenswirklichkeit und -erfahrung der breiten Bevölkerung kommt beim BSW, wenn überhaupt, nur recht selektiv vor.
Es ist auch ein starkes Stück, wie die Parteigründer reichlich abstrakt ein freiheitliches und demokratisches gesellschaftliches Projekt bewerben, ohne auch nur mit einem Wort auf die großen Repressionswellen der letzen Jahre und von heute einzugehen. Als Friedensbewegte sind wir natürlich daran interessiert, die staatlich verordnete Russophobie zu kritisieren – dies kommt bei BSW ncht vor. Wir sind übrigens auch stark daran interessiert, eine Kritik des israelischen Genozid an den Palästinensern als Ausdruck imperialistischer Großmachtpolitik zum Ausdruck bringen zu dürfen – dies kommt bei BSW nicht vor. Aber es landen die Kritiker Israels sehr schnell per Antisemitismus-Vorwurf auch ganz ‚linksistisch‘ in der „rechtsextremistischen“ Ecke.
Die Vertreter der Ampelkoalition, die Meinungsführer in den öffentlich-rechtlichen Anstalten sowie bei den monopolistisch organisierten veröffentlichten Meinungskartellen sind sich inzwischen längst für keine Lüge mehr zu schade und auch nicht für Rechtfertigung von Terror gegen die Russ. Föderation. Dafür schufen sie sich mit StGB-Änderungen (§130 und 140) entsprechende gesetzliche Grundlagen und stellen dabei unter Strafe, wer z.B. der Politik der speziellen Militäroperation Russlands auch nur ein leises Verständnis entgegen bringt.
Ein insgesamt recht ernüchternder Auftakt
Preisfrage: Ist es unter diesen Bedingungen möglich – zumal in Nachfolge zu der an gesellschaftlicher Abgehobenheit krachend gescheiterten Linkspartei -, eine Partei erfolgreich ins Leben zu rufen, die zu den genannten Fakten nichts Eindeutiges zu sagen hat ? Jedenfalls so wenig, daß das Hauptmenetekel der offiziellen deutschen Politik, woraus sich wesentliche Facetten des aktuellen wirtschaftlichen und politischen Niedergangs erklären, einfach außen vor gelassen wird.
Oder, um die Preisfrage noch weiter zu ergänzen: Ist es für das Verbleiben im offiziellen erlaubten öffentlichen Diskurs erforderlich, die zutiefst zeitvergessene Ablaßformel von einem angeblichen ‚russischen Angriffskrieg‘ weiter herunter zu deklinieren ? Wo sollen da zukünftig die Wähler beim Projekt BSW noch ein besonderes vorwärts treibendes zeitgemäßes Alleinstellungsmerkmal entdecken können ?
Dieses Projekt BSW sieht sich, kaum gestartet, systematisch von denen getrennt, die sich angesprochen fühlen könnten. Für Friedensbewegte verliefen dessen erste Auftritte recht ernüchternd. Da gibt es keine neuen Impulse, wo doch im Vorfeld durchaus überzeugend die Absicht nach einer programmatischen Verbindung von wertkonservativen und linken Themen verkündet wurde. Davon ist im ersten Anlauf leider nicht viel übrig.